Artikel aus dem Solinger Tageblatt vom 04.04.2023

Arbeit in Nicaragua gestaltet sich schwierig

Hans Wietert-Wehkamp (v. l.) und Anne Wehkamp vom Förderverein mit Astrid Herrera (bisherige Direktorin von La Cuculmeca) und Alexandra Bautz von der Deutschen Botschaft in Managua.
© Wehkamp

Das ST stellt Solingens Partnerstädte vor – heute: Jinotega in Nicaragua.

Von David Bieber

Solingen. Große Betroffenheit und Traurigkeit herrscht beim Solinger Förderverein Städtefreundschaft mit Jinotega. Der Grund: Die langjährige Partnerorganisation in Solingens nicaraguanischer Partnerstadt Jinotega, La Cuculmeca, ist geschlossen und aufgelöst worden. Alle 34 Mitarbeitenden wurden entlassen. Das Gelände der Partnerorganisation ist einem staatlichen Bildungsträger übergeben worden. 

La Cuculmeca ist offensichtlich der autoritären Regierung von Nicaraguas Präsident Daniel Ortega, der Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront (FSLN), wie viele andere Nichtregierungsorganisationen (NGO) ein Dorn im Auge. Im vergangenen Frühjahr verabschiedete das Parlament in Nicaraguas Hauptstadt Managua ein Dekret, das die sofortige Schließung von mehr als 100 Nichtregierungsorganisationen anordnete. Darunter auch La Cuculmeca. 

Hans Wietert-Wehkamp, Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes des hiesigen Fördervereins mit 64 Mitgliedern, hat im Juni 2022 selbst Nicaragua bereist und schildert die Lage vor Ort so: „Was sich schon angekündigt hatte, ist jetzt Realität geworden. Wir wissen aktuell nicht, wie es weitergeht.“

Das Bildungszentrum La Cuculmeca sei von der Polizei bewacht worden. Kein Mitglied des Vereins oder Mitarbeitende durften das Zentrum mehr betreten. „Keiner kommt an wichtige Unterlagen, zum Beispiel für unsere Fördergeber in Deutschland, ran“, sagte damals Wietert-Wehkamp. Bei all den Gesprächen vor Ort habe er nur Fragen stellen, zuhören, an der Trauer der Menschen in Jinotega teilhaben und in einzelnen Fällen vorsichtig an der Entwicklung erster individueller Zukunftsideen mitwirken können.

Dem Verein La Cuculmeca, einer anerkannten regionalen Bildungseinrichtung in Jinotega, wurde der juristische Rechtsstatuts entzogen. „Das allein war schon einmal keine gute Nachricht gewesen“, sagt der 68-Jährige im Gespräch mit dem ST rückblickend.

Hintergrund der Schließungswelle von NGO ist laut Regierung, dass die nun verbotenen Organisationen keine Finanzberichte vorgelegt hätten. Zudem soll Solingens Partnerorganisation konkret Auslandsspenden unter Angabe von Personendaten nicht bei dafür vorgesehenen staatlichen Stellen gemeldet und neue Vorstände nicht ordnungsgemäß registriert haben.

Auch soll sich La Cuculmeca in innere nicaraguanische Angelegenheiten eingemischt und politische Aktivitäten unterstützt haben, was aber ausdrücklich in Nicaragua verboten sei.

Warum wurde die Partnerorganisation in Nicaragua verboten?

„Ein Teil der NGO, auch La Cuculmeca, wurden deshalb geschlossen. Was genau mit politischen Aktivitäten gemeint ist und was La Cuculmeca falsch gemacht hat, konnte uns aber niemand sagen“, sagt Wietert-Wehkamp, der das bitterarme Land, das auch immer wieder von Wirbelstürmen heimgesucht wird, im vergangenen Sommer zum neunten Mal bereiste.

Vielmehr beteuert Wietert-Wehkmap: „Das alles trifft auf La Cuculmeca nicht zu. Sie hat intensiv dafür gearbeitet, alle angeforderten Dokumente vorzulegen.“

Wie ist die politische Lage in Nicaragua?

Seit vier Jahren kommt das kleine mittelamerikanische Land nicht zur Ruhe. Im April 2018 formierten sich erste Proteste, die zunehmend heftiger wurden und brutal niedergeschlagen worden waren, gegen den autoritären Regierungsstil Ortegas und eine umstrittene Rentenreform. Viele Verletzte und Tote waren die Folge.

Im Zuge der Anti-Regierungsproteste verschärfte Ortega noch einmal die Gesetze und drangsalierte so die Bevölkerung. Seither wurden insgesamt 339 Organisationen zwangsaufgelöst, eine kritische und freie Presse existiert kaum noch, Ortega wird Korruption und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, heißt es. 

Förderverein will sich nicht einschüchtern lassen

Der Förderverein um Hans Wietert-Wehkamp will sich davon aber nicht einschüchtern lassen – auch, wenn es derzeit alles andere als gut läuft. „La Cuculmeca ist ein starker, kompetenter Partner und im Interesse der Menschen wollen wir weiterhin Projekte im Bereich ökoeffizienter Technologien, Infrastruktur sowie schulischer und beruflicher Bildung vorantreiben“, sagt Wietert-Wehkamp.

Schließlich ist in den vergangenen mehr als 30 Jahren in enger Kooperation mit La Cuculmeca auch einiges erreicht und auf die Beine gestellt worden – in zahlreichen aufeinander aufbauenden Bildungs- und Infrastrukturprojekten, die größtenteils aus Deutschland mitfinanziert worden sind.

Wietert-Wehkamp nennt stellvertretend für viele Projekte die Installation von Solaranlagen oder die Hilfe zur Verbesserung der Wasserversorgung, wovon viele Menschen rund um Jinotega profitierten. Oder diverse Austauschprojekte.

„In der Vergangenheit kamen immer wieder Praktikanten aus Jinotega, um erste Erfahrungen außerhalb Nicaraguas zu sammeln. Auch haben junge Solinger bereits ein Freiwilliges Soziales Jahr in Jinotega absolviert.“ Zahlreiche gemeinsame Konferenzen und Treffen wurden in beiden Städten abgehalten. Man denke nur an die „junge Expertise in Aktion für das Klima“. 

Ist die Städtepartnerschaft zu Jinotega nun am Ende?

„Wir haben es bisher geschafft, vielfältige Impulse zu setzen“, ist sich Hans Wietert-Wehkamp sicher. Daran – trotz der derzeitig schwierigen Lage – möchten er und seine Kolleginnen und Kollegen vom Förderverein im Sinne der vielfältigen freundschaftlichen Beziehungen mit den Menschen in Jinotega auch künftig anknüpfen. Sie möchten die Leute in Jinotega nicht alleine lassen.

Denn offiziell heißt es laut Wietert-Wehkamp, der sich dabei auf Aussagen von staatlichen Stellen beruft: „Eine Fortführung der Städtepartnerschaften ist ausdrücklich erwünscht.“